Die Entwicklung Mitteldeutschlands hin zu einer europäischen Musiklandschaft ersten Ranges steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Reformation, die Martin Luther seit 1517 von Wittenberg aus vorantrieb. Luther war selbst Musiker, spielte Laute und komponierte zahlreiche Lieder. Auch in seiner Theologie spielt die Musik eine zentrale Rolle. Er sah in ihr „die beste Gottesgabe“. Ein musikalischer Geist sei frei von jeder Teufelei, ausgeglichen und fröhlich. Schon deshalb war Luther überzeugt, „dass nach der Theologie keine Kunst sei, die mit der Musik könne verglichen werden“. Diese theologische Aufwertung der Musik gipfelte in der Überlegung, dass die musikalische Ausbildung eine der zentralen Aufgaben der Schulen und Universitäten sein müsse. „Ein Schulmeister muss singen können“ lautete Luthers Devise, die dazu führte, dass in ganz Mitteldeutschland seit der Mitte des 16. Jahrhunderts eine Explosion der Musikerberufe stattfand. Immer mehr Gemeinden stellten einen Kantor an, der in den Schulen die Gesangsausbildung übernahm und zugleich für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste verantwortlich war. In vielen Städten wurden zusätzlich Organisten beschäftigt, deren Aufgabe vor allem die Intonation und Begleitung des Gemeindegesangs war.
Auch die Fürstenhöfe folgten dieser Entwicklung. Unter Kurfürst Moritz von Sachsen gründete der Luther-Freund Johann Walter 1548 in Dresden eine Hofkantorei und gilt damit als erster sächsischer Hofkapellmeister. In den kommenden Jahrhunderten folgten ihm so berühmte Persönlichkeiten wie Heinrich Schütz, Johann Adolph Hasse, Carl Maria von Weber und Richard Wagner.
Im 17. und 18. Jahrhundert stand Mitteldeutschland weitgehend unter sächsischer Herrschaft. Die ernestinischen Fürstentümer Weimar, Coburg und Eisenach wurden durch Erbteilungen im Verlauf des 17. Jahrhunderts immer weiter zersplittert. Auf albertinischem Gebiet reichte das kursächsische Territorium bis Wittenberg im Norden und Görlitz im Osten. Damit vereinte das historische Sachsen auch weite Teile des heutigen Thüringens und der südlichen Gebiete des heutigen Brandenburgs und Sachsen-Anhalts.
Der Verein Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen e.V. (MBM) wurde 1994 als eine der sogenannten „Leuchtturm-Maßnahmen“ der Bundesrepublik Deutschland für die neuen Länder ins Leben gerufen. Die MBM wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt und dem Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur finanziert. Der gemeinnützige Verein hat seinen Sitz im Kloster Michaelstein, Blankenburg (Sachsen-Anhalt). Ihm gehören rund 60 Mitglieder aus ganz Deutschland an.
Als Veranstalter hat es sich die MBM zur Aufgabe gemacht, die im europäischen Vergleich in einmaliger Dichte und Qualität vorhandenen Schätze mitteldeutscher Barockmusik in ihrer Gesamtheit zu erforschen und zu bewahren, in vielfältiger Weise erfahrbar und als klingende Werke einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die realisierten Projekte – von Tagungen und Konferenzen, über wissenschaftliche Publikationen und Editionen bis hin zu eigenen Konzerten und Festivals – werden dabei als Ergänzung und Erweiterung des bereits vielfältig bestehenden Angebots im mitteldeutschen Raum begriffen. Kooperationen, Schaffung von Synergien und gegenseitige Befruchtung im Zusammengehen mit Partnern, Institutionen und Künstlern bündeln die gemeinsamen Interessen.
Die MBM versteht sich als Netzwerk für Alte Musik und trägt entscheidend dazu bei, die Kulturregion Mitteldeutschland in ihrer Identität und Unverwechselbarkeit zu stärken, um so gleichfalls als ein kulturpolitischer Repräsentant nach außen zu wirken und mitteldeutsche Barockmusik als ästhetische Gegenwart zu einem Gegenstand modernen Erlebens und Nachdenkens zu machen.
Die MBM ist eine Förderinstitution mit besonderer Zielsetzung: Sie möchte in einem Zusammenklang aus Fördern, Forschen, Bewahren und Begeistern die schier überreiche Kraft und Vielfalt der mitteldeutschen Barockmusik vermitteln, indem sie gerade deren besondere Stellung als Drehscheibe, Schmelztiegel und Kristallisationspunkt europäischer Musik des 17. und 18. Jahrhundert ins heutige Bewusstsein rückt. Dabei setzt die MBM auf wissenschaftliche Fundierung, kreative Intelligenz und schöpferischen Enthusiasmus.
Die Wanderausstellung Klangraum Mitteldeutschland mit der dazugehörigen WebApp mibamu.org möchte das ganze Spektrum der MBM vorstellen und wird daher nicht nur die historische Vielfalt und Einzigartigkeit der mitteldeutschen Musiklandschaft vor Augen führen; vielmehr widmet sie sich ebenso dem heutigen Umgang mit diesem beispiellosen Kulturerbe.
Mit der Leipziger Teilung wird Sachsen in das westliche (ernestinische) und das östliche (albertinische) Herrschaftsgebiet aufgespalten.
1485
Durch den Thesenanschlag wird die Reformation im ernestinischen Wittenberg eingeleitet.
1517
1524
Mit Luthers Achtliederbuch und Johann Walters Geistlichem Gesangbüchlein (linkes Bild) erscheinen die ersten evangelischen Choralsammlungen.
1538
Georg Rhau veröffentlicht in Wittenberg die ersten liturgischen Musikdrucke für den lutherischen Gottesdienst.
Die Reformation wird auch im albertinischen Sachsen eingeführt.
1539
1585
Heinrich Schütz wird in Köstritz geboren.
1594
Seth Calvisius wird Thomaskantor in Leipzig.
1614
Michael Praetorius beginnt mit der Veröffentlichung seines Syntagma musicum.
Mit dem Prager Fenstersturz beginnt der Dreißigjährige Krieg.
1618
Erhard Bodenschatz veröffentlicht die Motettensammlung Florilegium Portense.
1627
In Torgau wird anlässlich einer Fürstenhochzeit Schütz‘ Dafne aufgeführt
Der Schwedenkönig Gustav II. Adolf fällt in der Schlacht bei Lützen.
1632
Mit dem Westfälischen Frieden endet der Dreißigjährige Krieg.
1648
Schütz widmet der Stadt Leipzig und dem Thomanerchor den Druck seiner Geistlichen Chormusik.
Nach dem Tod von Kurfürst Johann Georg I. kommt es zur Erbteilung, in deren Zuge die Sekundogeniturfürstentümer Sachsen-Merseburg (1657–1738), Sachsen-Weißenfels (1657–1746) und Sachsen-Zeitz (1657–1717) entstehen.
1657
Heinrich Schütz bezieht seinen Alterssitz in Weißenfels.
1664
In Dresden eröffnet das erste Opernhaus Mitteldeutschlands.
1672
Heinrich Schütz stirbt in Dresden.
1681
Georg Philipp Telemann wird in Magdeburg geboren.
1693
In Leipzig eröffnet das erste bürgerliche Opernhaus Mitteldeutschlands.
Friedrich August I. („August der Starke“) wird Kurfürst von Sachsen.
1694
Gründung der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale)
1698
1702
Der Weißenfelser Hofdiakon Erdmann Neumeister veröffentlicht seine Geistlichen Cantaten statt einer Kirchenmusic, die der Weißenfelser Hofkapellmeister Johann Philipp Krieger als erster vertont.
1708
Georg Philipp Telemann wird Konzert-, später Kapellmeister in Eisenach.
1713
Johann Ludwig Krebs wird in Buttelstedt geboren.
Anlässlich der Hochzeit des sächsischen Kurprinzen Friedrich August II. mit der Tochter von Kaiser Joseph I., Erzherzogin Maria Josepha, finden in Dresden über vier Wochen ausgedehnte Feierlichkeiten statt.
1719
Im neuerbauten Opernhaus am Taschenberg werden mehrere Opern
von Antonio Lotti aufgeführt. Auch Georg Friedrich Händel hielt sich damals in
Dresden auf.
Bernhard Christoph Breitkopf gründet in Leipzig seinen Verlag.
1723
Johann Sebastian Bach wird Thomaskantor in Leipzig.
Johann Friedrich Fasch wird Hofkapellmeister in Zerbst.
1732
Johann Gottfried Walter veröffentlicht sein
Musicalisches Lexicon.
1734
Dienstantritt von Johann Adolf Hasse als Hofkapellmeister in Dresden.
1750
Johann Sebastian Bach stirbt in Leipzig.
1755
Gottfried August Homilius wird Kreuzkantor in Dresden.
1756
Johann Ludwig Krebs wird Schlossorganist in Altenburg.
Der Siebenjährige Krieg führt zu einer tiefgreifenden kultur- und musikgeschichtlichen Zäsur.
1756
1759
Georg Friedrich Händel stirbt in London.
Ende der Personalunion zwischen Sachsen und Polen.
1763
1766
Johann Adam Hiller beginnt in Leipzig mit der Herausgabe der Wöchentlichen Nachrichten, die Musik betreffend.
1767
Georg Philipp Telemann stirbt in Hamburg; neuer Musikdirektor
wird Carl Philipp Emanuel Bach.