Die Arbeitsbedingungen für die barocken Musikerkreise – in der Stadt und bei Hofe – waren sehr verschieden und boten jeweils ganz unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Viele Musiker waren in beiden Sphären tätig, ehe sie sich für eine Lebensstellung als Kantor, Organist oder Hofkapellmeister entschieden. So ist die Zuordnung der mitteldeutschen Musikerbiographien – ob Stadt- oder Hofmusiker – nur selten eindeutig möglich, wie etwa die Lebenswege von Johann Herrmann Schein, Georg Philipp Telemann, Johann Sebastian Bach oder Johann Ludwig Krebs zeigen.

Musizierende Gesellschaft (Kupferstich von Simon de Passe, 1612. Kunstsammlungen der Veste Coburg)zoom
 
 

Einen besonderen Lebensweg nahm – ausgehend von Mitteldeutschland – der junge Georg Friedrich Händel.

Georg Friedrich Händel gelangte in London zu Weltruhm. Er wurde am 23. Februar 1685 in Halle geboren, wo er bei dem Organisten der Marktkirche Friedrich Wilhelm Zachow seine musikalische Ausbildung erhielt. Der Unterricht konfrontierte ihn sowohl mit der reichen mitteldeutschen Kantorentradition als auch mit Musik anderer europäischer Länder. Die in Halle angelegten Fertigkeiten im Orgelspiel fanden noch in Italien und England die Bewunderung des Publikums.

 

Händel-Orte in Halle

Händels Geburtshaus. Älteste bekannte Abbildung in den "Illustrated London News" vom 26. Juni 1859. (Anonymer Stich nach einem Foto von C. Klingmann. Stiftung Händel-Haus Halle)
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Blick in die Marktkirche, wo Händel getauft wurde; hier während eine Aufführung der Händel-Festspiele. Über dem Altar ist die Reichel-Orgel zu sehen, an der Händel als Schüler von Zachow spielte. (Foto: Thomas Ziegler)
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Der Dom zu Halle, wo Händel seine erste Anstellung als Musiker fand. (Kupferstich von Johann Gottfried Krügner Jun. aus dem Jahr 1749. Stiftung Händel-Haus Halle)zoom
 
 

Im Februar 1702 schrieb sich Händel an der hallischen Universität ein. Bereits einen Monat später übernahm der Student probeweise das Amt des Organisten am reformierten Dom. Bevor er 1703 in Hamburg eine Violinistenstelle an der Gänsemarktoper antrat, hatte er vermutlich schon in Weißenfels oder Leipzig – möglicherweise mit seinem Freund Telemann – Opern erlebt. Die in Halle geschriebenen Kirchenkantaten haben sich leider nicht erhalten. Wahrscheinlich gingen aber musikalische Ideen seiner Jugendjahre in spätere Werke ein; das gleiche gilt für musikalisches Material aus Werken mittel- und süddeutscher Komponisten, die er von Halle aus mit in die Welt nahm.

1706 bis 1710 hielt Händel sich in Italien auf, wo die meisten seiner Solokantaten entstanden und er durch sein Orgel- und Cembalospiel und seine Oper Agrippina weithin bekannt wurde. Es folgte eine Zeit als Hofkapellmeister des Kurfürsten von Hannover, bevor er schließlich 1712 nach London übersiedelte, wo er bis zu seinem Tod 1759 lebte und seine bedeutendsten Kompositionen schrieb.

Georg Friedrich Händel im Alter von etwa 45 Jahren in seinem Londoner Wohnhaus. (Ölgemälde von Hans List nach Philipp Mercier. Stiftung Händel-Haus Halle)zoom

Von Händel sind mehr als 600 Werke überliefert, die nahezu alle musikalischen Gattungen umfassen. Er schrieb über 100 italienische Solo-Kantaten und Kammerduette, mehr als 40 Opern, etwa 30 Oratorien, Serenaden und Oden sowie eine große Zahl instrumentaler Kompositionen. Obwohl er zum bedeutendsten englischen Nationalkomponisten wurde, blieb Händel seiner Heimatstadt und der Familie verbunden. Besuche im Vaterhaus und erhaltene Briefe belegen dies.

 

Lebendige Pflege des Händel-Erbes in Halle

Wenn Halle als Händelstadt bezeichnet wird, dann auch auf Grund seiner weltweiten Bedeutung für die kontinuierliche Pflege und Erforschung von Händels Werk. Bereits seit 1803 gibt es hier Aufführungen seiner Oratorien. Im Zusammenhang mit dem 100. Todestag im Jahr 1859 begann eine traditionsreiche Händel-Rezeption, die von 1922 an auch Opernaufführungen im Rahmen von Händelfesten einschloss. 1952 begann man, in Halle jährlich Händel-Festspiele zu veranstalten.

Seit etwa 100 Jahren gilt die Stadt zudem als ein Zentrum der Händel-Forschung. Die wissenschaftliche Arbeit teilen sich die Universität, die 1955 hier gegründete internationale Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft, die sämtliche Werke in der wissenschaftlich-kritischen Hallischen Händel-Ausgabe ediert, und das Händel-Haus, das 1948 als Museum eröffnet wurde und seit 2008 als Stiftung arbeitet.

 
 
Hintergrund Musiker

Die Fülle der Kantorats- und Organistenstellen führte innerhalb Mitteldeutschlands zu einer großen Vielfalt der Kirchenmusikpflege. Für die Gottesdienstmusiken hatten sich ganz verschiedene Organisationsstrukturen und Aufführungstraditionen entwickelt. Während die Kantoren der großen Städte mit einem professionellen Knabenchor arbeiten konnten, standen ihren Kollegen in den kleineren Städten die sogenannten Adjuvantenvereinigungen (von lat. adjuvare „unterstützen“) und Kantoreigesellschaften zur Verfügung.

Diese Gesangsvereine waren den heutigen Kirchenchören recht ähnlich. In ihnen sangen Gemeindemitglieder, die den Schülerchor unterstützen sollten und vielerorts dessen Funktionen vollständig übernahmen. Mit der Zugehörigkeit zu diesen Vereinen waren aber auch für Instrumentalmusiker verschiedene Privilegien verbunden. So war das einträgliche Aufspielen auf Hochzeiten gerade auf den Dörfern nur Mitgliedern des Adjuvantenchors gestattet. 

 

Musikalischer Zeitvertreib

In ihrer Freizeit veranstalteten die gleichen Musiker, die sonntags die Kantatenaufführungen in den Kirchen begleiteten, in den Gast- und Kaffeehäusern kleine Konzerte. In dieser Darstellung einer Schenke vor den Toren Leipzigs stehen die sieben Musiker im Zentrum einer Gesellschaft, die sich mit Tabak, Bier und allerhand Spielen die Zeit vertreibt.

 
Angenehmer Zeitvertreib auf dem weltbekannten Lust-Saale des so genannten Brandtvorwergs, Leipzig 1745, Titelkupfer (Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden)zoom
Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732, Titelkupferzoom
 

Das Zentrum städtischer Musikpraxis bildete die Kirche. Die einzelnen Musikergruppen (Schülerchor, Stadtpfeifer, Kantorei und Adjuvanten) standen unter der Oberaufsicht des Kantors, der vielerorts die Funktion eines städtischen Musikdirektors ausübte.

 

Zunehmend kamen aus den Reihen der Adjuvanten auch Musiker, die die instrumentale Begleitung der Kirchenmusik übernahmen. In den großen Städten gab es aber auch hierfür ein professionelles Ensemble. Die sogenannten Stadtpfeifer beherrschten nicht nur sämtliche Blasinstrumente, sondern nahezu jedes Orchesterinstrument ihrer Zeit. Neben dem Dienst in der Kirche war ihre Hauptaufgabe das Turmblasen, das mehrmals täglich zu festgelegten Zeiten zu erfolgen hatte.

 

J. Pezel: "Musicalische Arbeit zum Abblasen"

Hören Sie einen Ausschnitt der 13. Sonate aus der Musicalischen Arbeit zum Abblasen um 10. Uhr Vormittage (Leipzig 1670) des Leipziger Stadtpfeifers Johann Pezel. Zur genannten Stunde erklangen täglich die Posaunen und Zinken der Stadtpfeifer vom Leipziger Rathausturm. Es musizieren das Trompeten-Consort Friedemann Immer und das Leipziger Bläser-Collegium.

 

Der Stadtpfeifer Gottfried Reiche

Der Ratsmaler Elias Gottlob Haußmann porträtierte den Leipziger Stadtpfeifer Gottfried Reiche im Jahr 1726 mit seiner Tromba da caccia (Jagdtrompete). Das kunstvoll gestaltete Gemälde ist nicht zuletzt ein Zeugnis des hohen Ansehens, das Reiche damals in der Leipziger Bevölkerung und unter seinen Musikerkollegen genoss.

 
Der Leipziger Stadtpfeifer Gottfried Reiche (Portraitgemälde von Elias Gottlob Haußmann, 1726. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Foto: Christoph Sandig)zoom
 

Reiche wurde 1667 in Weißenfels geboren. 1688 kam er als Stadtpfeifergeselle nach Leipzig, wo er 1706 eine reguläre Anstellung erhielt und 1719 zum Senior der Stadtpfeifer-Kompagnie aufstieg. Er starb am 6. Oktober 1734 – "und dieses soll daher kommen seyn, weil er Tages vorhero bey der Königlichen Musique wegen des Blasens große strapazzen gehabt, und auch der Fackel Rauch ihm sehr beschwerlich gewesen". Dieser zeitgenössische Bericht des Leipziger Stadtchronisten Johann Salomon Riemer bezieht sich auf die Aufführung von Bachs Huldigungskantate "Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen".

 

Nachdem die Praxis des Turmblasens im 19. Jahrhundert offiziell abgeschafft wurde, wird die Tradition durch viele Posaunenchöre aber gerade in der Advents- und Weihnachtszeit bis heute fortgeführt. Durch die Wiederentdeckung von Adjuvantenmusiken in einigen thüringischen Kirchenarchiven kehrten auch die barocken Laienchöre in den vergangenen Jahren zunehmend ins historische Bewusstsein zurück. Ein Ergebnis dieser Entwicklung sind die „Thüringer Adjuvantentage“, die sich der Pflege dieser Chortradition verschrieben haben und seit 2008 jährlich stattfinden.

 

Martin Agricola (Stadtkantor in Magdeburg)

Martin Agricola wurde um 1525 in Magdeburg als erster lutherischer Kantor an einer städtischen Lateinschule angestellt. 1486 war er in Schwiebus im heutigen Polen als Sohn einer wohlhabenden Bauernfamilie geboren worden. 1519 ließ er sich in Magdeburg nieder. Wegen seines weitgehend autodidaktisch erworbenen musikalischen Fachwissens war er unter seinen Zeitgenossen hochgeschätzt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1556 blieb er in Magdeburg, wo er neben dem Schulunterricht auch privaten Instrumentalunterricht gab und zahlreiche musiktheoretische Werke veröffentlichte. Von besonderer Bedeutung für die frühe protestantische Musikerziehung ist seine 1528 erschiene Kurtze deudsche Musica , das erste deutschsprachige Schulbuch für den Musikunterricht. Seine nur ein Jahr später publizierte Musica instrumentalis deudsch bietet eine Systematisierung der zeitgenössischen Musikinstrumente und ist das erste Werk dieser Art in deutscher Sprache.

Martin Agricola, Kurtze deudsche Musica, Wittenberg 1528zoom
 

Seth Calvisius (Thomaskantor in Leipzig)

Seth Calvisius war nicht nur Komponist und Musiktheoretiker, sondern einer der bedeutendsten mitteldeutschen Gelehrten seiner Zeit. Er wurde 1556 im thüringischen Gorsleben geboren, besuchte die Schulen in Frankenhausen und Magdeburg. Nach seinen Studien an den Universitäten in Helmstedt und Leipzig wurde er 1582 zunächst Kantor in Schulpforta. 1594 berief ihn der Leipziger Rat zum Thomaskantor. Das Amt behielt er bis zu seinem Tod am 24. November 1615, obwohl er in dieser Zeit – insbesondere wegen seiner historischen und chronologischen Studien – auch Berufungen an die Universitäten von Frankfurt/Oder und Wittenberg erhielt.

Seth Calvisius (Kupferstich von Melchior Haffner, um 1610. Bach-Archiv Leipzig)zoom
 

Johann Herrmann Schein (Thomaskantor in Leipzig)

Johann Herrmann Schein war zwischen 1616 und 1630 Thomaskantor in Leipzig. Er gehört – 1586 in Grünhain bei Annaberg geboren – zur Komponistengeneration von Heinrich Schütz, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Schein wurde mit 13 Jahren als Sängerknabe in die Dresdner Hofkapelle aufgenommen. Ab 1608 studierte auf der Universität in Leipzig, wo er seinen ersten Dienstherrn, den Weißenfelser Schlosshauptmann und Gerichtsassessor Gottfried von Wolffersdorff, kennenlernte; dessen Hausmusikdirektor wurde er ab 1612. Nachdem Schein im Frühjahr 1615 das Kapellmeisteramt am Weimarer Hof angetreten hatte, erhielt er bereits im August des Folgejahres das Angebot, die Nachfolge von Seth Calvisius im Leipziger Thomaskantorat anzutreten. Das Amt versah er bis zu seinem frühen Tod am 19. November 1630. Schütz sollte ihn schließlich um 42 Jahre überleben, was auch ein Grund dafür sein dürfte, dass Scheins Werke noch heute – zu Unrecht – im Schatten seines berühmteren Freundes stehen.

 
Johann Herrmann Schein (Öl auf Leinwand, 1620. Kunstbesitz der Universität Leipzig)zoom
 

Samuel Scheidt (Organist und Stadtmusikdirektor in Halle)

Samuel Scheidt war einer der bedeutendsten deutschen Orgelmeister des 17. Jahrhunderts. Am 4. November 1587 wurde er in der Ulrichskirche in Halle (Saale) getauft. Er war noch keine 16 Jahre alt, als er hier den Organistendienst an der Moritzkirche übernahm. Später hielt er sich zu Studienzwecken bei Jan Pieterszoon Sweelinck in Amsterdam auf, wo er neben niederländischen Kompositionen auch englische Musiker und ihre Werke kennenlernte. Nach seiner Rückkehr wurde Scheidt Hoforganist und 1619 schließlich Hofkapellmeister an der hallischen Residenz des Administrators des Erzbistums Magdeburg, Markgraf Christian Wilhelm von Brandenburg. Gleichzeitig leitete er die Hofkantorei. Nachdem Christian Wilhelm 1625 Halle verlassen hatte, löste sich die Hofkapelle auf. Scheidt fand zwischen 1628 und 1630 eine Anstellung als städtischer Musikdirektor, spielte in dieser Zeit die Orgeln in der Marktkirche und leitete in den Gottesdiensten den Stadtsingechor.

 
Samuel Scheidt, Tabulatura Nova, Hamburg 1624, Titelseite (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)zoom
Samuel Scheidt (Anonymer Kupferstich aus dem ersten Band der Tabulatura Nova,
Hamburg 1624)
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Scheidt komponierte über 500 Werke, von denen die meisten schon zu seinen Lebzeiten im Druck erschienen. Mit den Cantiones sacrae eröffnete er 1620 eine Reihe geistlicher Vokalmusik. 1622 folgten die Concertus sacri, ab 1631 Geistliche Konzerte in vier Teilen sowie 1635 die Lieblichen Kraft-Blümlein. Die meisten seiner Instrumentalwerke wurden schon zwischen 1621 und 1627 als Ludi musici in vier Teilen gedruckt. Sein wahrscheinlich bedeutendstes Werk für Tasteninstrumente, die Tabulatura Nova, erschien 1624 in Hamburg in drei Teilen und ist ein Standardwerk der Orgelliteratur. Als letztes gedrucktes Werk kam 1650 sein Tabulatur Buch Hundert geistlicher Lieder und Psalmen Herrn Doctoris Martini Lutheri, das so genannte Görlitzer Tabulaturbuch, im Druck heraus. Scheidt starb am 24. März 1654 in Halle.

 

Andreas Hammerschmidt (Stadtorganist in Zittau)

Andreas Hammerschmidt wurde um 1611 im böhmischen Brüx geboren. 1626 siedelte die Familie ins sächsische Freiberg über. Seine erste Anstellung erhielt Hammerschmidt 1633 als Organist am Hof Rudolph von Bünaus in Weesenstein bei Dresden. 1635 kam er zurück nach Freiberg, wo er die lukrativere Organistenstelle an St. Petri antrat. 1639 ging er nach Zittau , wo er – bis zu seinem Tod 1675 – gleichfalls ein Organistenamt bekleidete und damit zugleich die führende Rolle im Musikleben der Stadt einnahm. War der Zittauer Kantor mit seinem Chor aus Schulknaben für den meist einstimmigen Choralgesang während der Gottesdienste verantwortlich, oblag dem Organisten die Bestellung der kunstvollen und mehrstimmigen Figuralmusik, wozu ihm die acht besten Sänger des Schülerchores zur Verfügung gestellt wurden. So verwundert es auch nicht, dass sich von Hammerschmidt zwar zahlreiche Chorwerke erhalten haben, Orgelmusik hingegen gar nicht. Dieses Ungleichgewicht findet auch in den zeitgenössischen Verbreitungswegen seiner Werke Begründung. Hammerschmidt ließ nahezu alle seine geistlichen Vokalwerke in Druckausgaben veröffentlichen, wodurch sie schnell zur Popularität gelangten. Noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein gehörten seine geistlichen Konzerte zum Kernrepertoire vieler mitteldeutscher Kantoreien. In Zittau sind viele ältere Quellen dem großen Stadtbrand vom Jahr 1757 zum Opfer gefallen, doch haben sich in der Christian-Weise-Bibliothek immerhin einige Ausgaben von Hammerschmidts gedruckten Werken und ein Sammelband mit 28 seiner Motetten erhalten – es handelt sich hierbei um nichts weniger als die autographen Partituren des 1653 gedruckten fünften Teils der Musicalischen Andachten.

 
Andreas Hammerschmidt (Anonymer Kupferstich, 1646. Christian-Weise-Bibliothek Zittau)zoom
 

A. Hammerschmidt: "Vom Himmel hoch"

Hören Sie Andreas Hammerschmidts Geistliches Konzert Vom Himmel hoch, das sich stark an Luthers Kirchenliedmelodie anlehnt. Das Stück gehört zu Hammerschmidts 1662 veröffentlichter Kirchen- und Tafelmusik. Es musiziert das Ensemble Weser-Renaissance Bremen unter der Leitung von Manfred Cordes.

 

Friedrich Wilhelm Zachow (Organist und Musikdirektor in Halle/Saale)

Friedrich Wilhelm Zachow war einer der bedeutendsten mitteldeutschen Organisten und Komponisten seiner Generation. Er prägte das Musikleben in Halle, seinem Hauptwirkungsort, ganz wesentlich.

Heute ist Zachow vor allem als Händels Lehrer bekannt. Aus seiner Schule ging aber noch eine Reihe weiterer Musiker hervor, darunter sein späterer Amtsnachfolger Gottfried Kirchhoff, der Weißenfelser Hofkapellmeister Johann Gotthilf Krieger und die Brüder Gebhard Julius und Johann Gottfried Riemschneider. Von 1684 bis zu seinem Tod 1712 wirkte Zachow als Organist an der Marktkirche und städtischer Musikdirektor in Halle.

Zachows Kirchenmusiken – sowohl seine Kantaten, als auch seine Orgelwerke – beruhen zu einem großen Teil auf dem lutherischen Choral. Die meisten Orgelstücke sind Choralbearbeitungen für den gottesdienstlichen Gebrauch, wo sie als Vor- und Nachspiele zu den Gemeindeliedern Verwendung fanden. Von den über hundert Kirchenkantaten, die Zachow – nach den Quellen zu urteilen – komponiert haben muss, ist heute nur noch etwa ein Drittel erhalten. Zu seinen Lebzeiten erschien keines seiner Werke im Druck.

Der Sohn eines Leipziger Stadtmusikers

Zachow stammte aus Leipzig, wurde am 14. November 1663 in der dortigen Nikolaikirche getauft und verbrachte in der Messestadt seine Kindheit. Der Vater, Heinrich Zachow, war Kunstgeiger und in zweiter Ehe mit Elisabeth Maune, der Tochter eines hallischen Stadtpfeifers, verheiratet. Zachow lernte die Organisten- und Stadtpfeiferkunst von Grund auf und wurde, nachdem sein Vater 1676 als Stadtpfeifer nach Eilenburg gewechselt war, dessen Geselle.

Zachows Leipziger Taufeintrag vom 14. November 1663zoom
 

Georg Philipp Telemann (Musikdirektor in Hamburg)

Georg Philipp Telemann wurde 1681 in Magdeburg geboren und war von 1721 an bis zu seinem Tod 1767 städtischer Musikdirektor in Hamburg und ist damit das norddeutsche Gegenstück zu Johann Sebastian Bach in Leipzig.

Auch wenn Telemann also die meiste Zeit seines Lebens außerhalb Mitteldeutschlands verbrachte, steht sein Wirken in der gleichen Tradition wie das seiner sächsischen und thüringischen Kollegen. Dies zum einen, weil die Einheit des protestantischen Kulturraums sich bruchlos bis Hamburg erstreckte, andererseits weil Telemann zuvor lange Jahre in Leipzig und Eisenach tätig gewesen war. Nachdem er seine Gymnasialausbildung in Hildesheim beendet hatte, schrieb er sich 1701 für ein Jurastudium an der Universität Leipzig ein. Das studentische Musikleben und die 1693 gegründete bürgerliche Opernbühne zogen ihn hier zunehmend in seinen Bann und schnell stieg er zur führenden Kraft der musikalischen Studentenschaft auf. 1702 gründete er ein Collegium musicum, das bald auch in der Leipziger Oper musizierte. 1704 übernahm er zudem das Organisten- und Musikdirektorenamt an der Leipziger Neuen Kirche, die unter Telemanns Einfluss mehr und mehr zum Hort studentischen Musizierens wurde. Bereits ein Jahr später wurde der junge Komponist als Hofkapellmeister ins ostsächsische – heute westpolnische – Sorau verpflichtet, wo er für den etwa gleichaltrigen Grafen Erdmann II. von Promnitz eine Hofkapelle aufbaute.

1708 wechselte Telemann an den Eisenacher Hof, wo er zunächst Konzertmeister wurde; doch bald stand auch hier die Hofmusik unter seiner Leitung. In Eisenach entwickelte er mit der Vertonung von Erdmann Neumeisters Geistlichem Singen und Spielen das Konzept der modernen Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts. Aus den höfischen Diensten verabschiedete er sich 1712 als er Musikdirektor in Frankfurt am Main wurde.

 
Georg Philipp Telemann (Anonymer Kupferstich. Bach-Archiv Leipzig)zoom

Das Amt behielt er bis zu seiner Berufung nach Hamburg. Die Möglichkeit, in seine Studienstadt und damit nach Mitteldeutschland zurückzukehren, ergab sich 1722 als das Thomaskantorat nach dem Tod von Johann Kuhnau neuzubesetzen war. Telemann, den die Stadtoberen noch gut kannten, war damals deren erste Wahl. Nachdem ihm aber seine Hamburger Dienstherren eine kräftig Gehaltzulage gewährt hatten, verzichtete er auf das Angebot aus Leipzig und blieb in Hamburg.

Nachdem Telemann seinen Ruhm in Mitteldeutschland begründet hatte – als Opernkomponist in Leipzig und als Komponist und Erneuerer der Kirchenmusik in Eisenach – gehörten seine Kompositionen auch hier zu den beliebtesten und verbreitetsten Werken seiner Musikergeneration.

 

Die „Musicalisch-Bachische Familie“

In Johann Sebastian Bach hat nicht nur die mitteldeutsche Barockmusik, sondern auch die gleichnamige Musikerfamilie ihren bekanntesten Vertreter gefunden. Bereits seit dem 16. Jahrhundert sind Bachs Vorfahren im Thüringischen als Musiker nachweisbar. Bis hinein ins 19. Jahrhundert sind über 100 Mitglieder der weitverzweigten Familie nachweisbar, die als Organisten, Kantoren, Stadtpfeifer und Hofmusiker in den Dörfern, Städten und Residenzen um Weimar, Eisenach, Gotha und Meiningen Anstellungen gefunden hatten. Stammvater der Familie ist der Müller Veit Bach, der im 16. Jahrhundert von Ungarn aus nach Wechmar gekommen war und der in seiner Freizeit die Laute gespielt hat.

Bedeutende städtische Musiker

Johann Christoph Bach (1642–1703), Organist in Arnstadt und Eisenach. Johann Sebastian bescheinigte ihm, ein „profunder Componist“ zu sein; sein Orgel- und Klavierspiel sei so virtuos gewesen, dass er „niemahls mit weniger als fünf nothwendigen Stimmen gespielet hat“.

Johann Michael Bach (1648–1694), Organist in Arnstadt und Gehren. Er war der Vater von Johann Sebastian Bachs erster Ehefrau Maria Barbara. Johann Sebastian Bach (1685–1750), Organist in Arnstadt, Mühlhausen und Weimar, Hofkapellmeister in Köthen und Thomaskantor in Leipzig.

Wilhelm Friedemann Bach (1710–1784), Sohn von Johann Sebastian, Organist in Dresden und Stadtmusikdirektor in Halle/Saale. Das Wirken seiner Geschwister weist hingegen weit über das mitteldeutsche Gebiet hinaus: Carl Philipp Emanuel ging nach Berlin und Hamburg, Johann Christoph Friedrich nach Bückeburg und Johann Christian nach Mailand und London.

Stammbaum der Bach-Familie (Kolorierte Zeichnung. Original in Privatbesitz aus der Schweinfurter Linie der Bach-Familie. Faksimile-Druck im Originalformat als Mitgliedsgabe der Neuen Bachgesellschaft im Jahr 1990)zoom
 

Johann Sebastian Bach (Thomaskantor in Leipzig)

Johann Sebastian Bach wurde 1685 in Eisenach als Sohn des Stadtpfeifers Johann Ambrosius Bach in eine weitverzweigte thüringer Musikerfamilie geboren. Nachdem er im Alter von zehn Jahren bereits beide Eltern verloren hatte, wuchs er bei seinem älteren Bruders und Organisten in Ohrdruf, Johann Christoph, auf. Von 1695 bis 1700 besuchte er hier die Schule und wurde von seinem Bruder im Klavier- und Orgelspiel unterrichtet. Seine Ausbildung setzte er von 1700 bis 1702 an der Michaelisschule im fernen Lüneburg fort, wo er ein Privatschüler des Stadtorganisten Georg Böhm – ebenfalls ein gebürtiger Thüringer aus Hohenkirchen bei Ohrdruf – wurde.

Nach seiner Lüneburger Schulzeit kehrte Bach in seine thüringische Heimat zurück, wo er schnell Anstellungen als Kammermusiker (Weimar) und Organist (Arnstadt und Mühlhausen) fand. 1708 wurde er zunächst Hoforganist, ab 1714 Konzertmeister am Weimarer Hof. 1717 warb ihn hier der junge musikliebende Fürst Leopold von Anhalt-Köthen ab, der ihm das Kapellmeisteramt in seiner erst wenige Jahre zuvor gegründeten Hofkapelle anbot. Den Unsicherheiten, die eine Anstellung als Hofmusiker stets mit sich brachte, entzog sich Bach durch den Wechsel ins Leipziger Thomaskantorat im Jahr 1723. Die damals stets auf Lebenszeit besetzte Stelle behielt er bis zu seinem Tod am 28. Juli 1750.

 

Johann Ludwig Krebs (Stadtorganist in Zwickau)

Johann Ludwig Krebs ist einer der bekanntesten Schüler Johann Sebastian Bachs und der bedeutendste Vertreter einer Musikerfamilie aus dem thüringischen Buttelstedt . Hier wurde Krebs 1713 als Sohn des Organisten Johann Tobias Krebs (1690–1762) geboren. Im nahegelegenen Weimar hatte Johann Tobias Klavier- und Kompositionsunterricht bei den herausragenden Organisten Bach und Walther genossen. Als Bach schließlich Thomaskantor geworden war, schickte er seine drei Söhne, Johann Ludwig, Johann Tobias und Johann Carl auf das Alumnat nach Leipzig.

Johann Ludwig erwies sich als der talentierteste der drei Brüder; er wurde bald Bachs Privatschüler, war einer seiner wichtigsten Diskantisten und Mitglied in Bachs Collegium musicum. Nach seinem Schulabschluss ging er 1737 nach Zwickau , wo er das Organistenamt an der Marienkirche übernahm. 1744 wechselte er als Schlossorganist nach Zeitz ; 1756 wurde er nach Altenburg berufen, wo er bis zu seinem Tod am 1. Januar 1780 ebenfalls an der Schlosskirchenorgel musizierte.

 
Sopranstimme von Johann Sebastian Bachs Kantate "Geschwinde, ihr wirbelnden Winde" BWV 201, geschrieben von Johann Ludwig Krebs (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Mus. ms. Bach St. 33a)zoom

Als Mitglied in Bachs Collegium musicum war Krebs auch an der Herstellung des Aufführungsmaterials beteiligt – hier seine Schriftzüge in der um 1730 entstandenen Bach-Kantate Geschwinde, ihr wirbelnden Winde.

 
 
Bildhintergrund Musiker

Neben den musikalischen Kirchenämtern in den Städten und Dörfern boten die kleingliedrig organisierten höfischen Strukturen mit ihren insgesamt über ein Dutzend mitteldeutschen Residenzen zahlreichen Musikern eine Lebensgrundlage – die Herzöge, Grafen und Fürsten zählten zu den wichtigsten Arbeitgebern der barocken Musiker. Allein der Dresdner Hof beschäftigte im frühen 18. Jahrhundert zwei Kapellmeister, einen Konzertmeister, 32 Instrumentalisten und mehrere Notenkopisten. Selbst die Ensemble der kleineren Fürstentümer waren selten mit weniger als 20 Musikern besetzt. Die Kapellen wurden meist noch durch mehrere leistungsfähige Vokalisten unterstützt, so dass Mitteldeutschland seinerzeit eine enorme Dichte an Beschäftigungsmöglichkeiten für Orchestermusiker und Sänger bot.

 

Bach oder Abel?

Dieses im Besitz der Internationalen Bachakademie Stuttgart befindliche Portrait einer Musikerfamilie gibt der Forschung seit längerem Rätsel auf. Angefertigt wurde es wahrscheinlich in den Jahren um 1730 von dem berühmten Portraitmaler Balthasar Denner.

Einerseits wurde gemutmaßt, dass es sich bei diesen Musikern um Johann Sebastian Bach und seine Söhne Carl Philipp Emanuel, Gottfried Bernhard und Gottfried Heinrich handelt. Andererseits stimmen weder die Altersverhältnisse der Jungen noch die hier abgebildeten Instrumente – Violine, Violoncello und Querflöte – mit dem überein, was wir über die Bach-Familie wissen.

Vielmehr könnte es sich um den Köthener Hofmusiker Christian Ferdinand Abel handeln, der ein virtuoser Gambenspieler war. Von seinen sechs Kindern wurden zwei später ebenfalls professionelle Musiker. Leopold August, der älteste Sohn, erhielt Anstellungen als Konzertmeister an mehreren deutschen Höfen. Der jüngere Carl Friedrich ging nach England, wo er ein berühmter Gambensolist wurde. Hier gründete er 1764 gemeinsam mit Johann Christian Bach, dem jüngsten Sohn Johann Sebastians, die sogenannten Bach-Abel-Konzerte, Londons erste Abonnementkonzerte.

Portrait einer Musikerfamilie (vermutlich Balthasar Denner, um 1730. Internationale Bachakademie Stuttgart)zoom
 

Die Dresdner Hofkantorei

Die Hofkantorei musiziert unter ihrem Kapellmeister Heinrich Schütz in der Dresdner Schlosskapelle. Vor dem Altar aber steht der Harfe spielende König David als Allegorie auf den kunstsinnigen und musikliebenden sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. Insofern handelt es sich bei diesem Bild nicht, um die einfache Darstellung einer realen Musizierszene. Vielmehr ist auch das Engelsorchester auf der Empore unterhalb der Orgel ein Sinnbild jener „himmlischen Kantorei“, mit der die irdischen Sänger konzertieren.

Mit dem Übertritt August des Starken zum Katholizismus im Jahr 1697 änderten sich bald die Strukturen der Dresdner Hofkirchenmusik. 1709 übernahmen aus Böhmen angeworbene Chorknaben die musikalische Gestaltung der katholischen Gottesdienste. Es ist dies die Geburtsstunde der Dresdner Kapellknaben, die noch heute in der Katholischen Hofkirche St. Trinitatis singen.

Christoph Bernhard, Geistreiches Gesangbuch, Dresden 1676, Titelkupfer (Bachhaus Eisenach)zoom
 

Die Anstellungen bei Hofe waren stets mit großen Unsicherheiten verbunden. Oft führte der Tod eines Regenten zur Auflösung des Hofstaates und damit auch der Hofkapelle. Dass der neue Fürst die arbeitslosen Musiker anschließend wieder engagierte, war dabei keinesfalls selbstverständlich. Andererseits war der Bedarf an gut ausgebildeten Musikern stets beträchtlich. So fanden weite Teile der 1713 aufgelösten Berliner Hofkapelle schon kurze Zeit später eine Anstellung bei dem jungen musikliebenden Fürsten Leopold von Anhalt- Köthen, der 1717 schließlich auch Johann Sebastian Bach als Kapellmeister für sein erlesenes Orchester gewinnen konnte.

 

P.H. Erlebach: "Fürchtet euch nicht"

Philipp Heinrich Erlebach (1657–1714) war an der Wende zum 18. Jahrhundert Hofkapellmeister im thüringischen Rudolstadt. Hören Sie den ersten Satz seiner Weihnachtskantate Fürchtet euch nicht. Es musiziert das Ensemble Les Amis de Philippe unter der Leitung von Ludger Rémy.

 

Johann Walter (Kapellsänger in Torgau und Hofkapellmeister in Dresden)

Johann Walter war einer der ersten Komponisten, der Martin Luthers Ideen zur Musik aufgriff und mitgestaltete. Walter wurde 1496 im thüringischen Kahla geboren und besuchte ab 1517 die Leipziger Universität. Um 1520 kam er als Hofsänger in die Kapelle des sächsischen Kurfürsten nach Torgau, von wo aus er Luthers reformatorische Gedanken begleitete und 1524 mit der Veröffentlichung seines Geistlichen Gesangbüchleins – das schon in der ersten Auflage eine Vorrede Luthers enthielt – sichtlich unterstütze. Das Liederbuch vereint Texte und Melodien, die in den ersten Jahren nach Einführung der Reformation entstanden waren und mit dem Druck nun kanonisiert werden sollten. Nach dem Tod von Kurfürst Friedrich III. wurde 1526 die Torgauer Hofkapelle aufgelöst.

Walter blieb in Torgau, wo er bald neue Aufgaben als Schul- und Stadtkantor fand und einen Chor aus ehemaligen Kapellsängern und Torgauer Bürgern leitete, der auch weiterhin im Hofgottesdienst sang. Nachdem Torgau in der Folge des Schmalkaldischen Krieges seine Bedeutung als Residenzstadt verloren hatte, holte Kurfürst Moritz den Kantor nach Dresden und beauftragte ihn 1548 mit der Gründung einer Hofkapelle. Das Ensemble bestand damals aus neun Kapellknaben und elf erwachsenen Sängern, für die Walter fortan ein Repertoire aufbaute, das gleichermaßen aus fremden Werken – auch katholischer Meister – und eigenen, lutherischen Neukompositionen bestand. 1554 bat Walter um seine Pensionierung und verbrachte seinen Lebensabend in Torgau, wo er weiterhin musikalisch aktiv blieb und 1570 starb.

 

Michael Praetorius

Michael Praetorius war der bedeutendste deutschsprachige Musiktheoretiker an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Er wurde 1571 in Creuzburg bei Eisenach geboren. Bereits während seines Studiums in Frankfurt an der Oder übernahm Praetorius das Organistenamt der dortigen Universitäts- und Pfarrkirche St. Marien. Anschließend ging er nach Wolfenbüttel, wo er eine Anstellung als Hofmusiker – zunächst als Organist, seit 1604 als Kapellmeister – fand. Nachdem Tod des Herzogs im Jahr 1613 blieb Praetorius zwar im Amt, doch hatte man in Wolfenbüttel fortan keine sinnvolle Verwendung mehr für den talentierten Musiker und Komponisten.

In den folgenden Jahren hielt er sich immer wieder am Dresdner Hof auf, den er regelmäßig mit eigenen Kompositionen beehrte, was ihm bald einen Kapellmeistertitel einbrachte. Die Wirkungsorte seiner letzten Lebensjahre zeichnen das Bild eines gefragten und umtriebigen Musikers, dessen Wirken in Mitteldeutschland sein Zentrum gefunden hatte. Seit 1616 hielt er sich jeweils nur kurzfristig u.a. in Halle, Sondershausen, Kassel, Magdeburg, Leipzig und Nürnberg auf. Er starb 1621 in Wolfenbüttel.

Syntagma musicum

Praetorius' Vermächtnis besteht – neben seinen heute kaum noch bekannten Kompositionen – vor allem in seinem Syntagma musicum, einem Musiklexikon, das zwischen 1615 und 1619 in drei Bänden erscheinen war und heute eine der wichtigsten Quellen für die Aufführungspraxis der Musik des frühen 17. Jahrhunderts ist. Das Werk enthält lexikalische Beschreibungen der wichtigsten zeitgenössischen Musikbegriffe und ausführliche Darstellungen des damaligen Instrumentariums.

Michael Praetorius, Theatrum Instrumentorum, Wolfenbüttel 1620zoom

Im Anhang zum zweiten Teil des Syntagma musicum gibt Praetorius einen systematischen Überblick über das Instru-mentarium seiner Zeit.

 
Michael Praetorius (Holzschnitt nach dem Gesamttitel der Musae Sioniae, Regensburg 1605)zoom
 

Heinrich Schütz (Hofkapellmeister in Dresden)

Heinrich Schütz ist der bedeutendste deutsche Musiker des 17. Jahrhunderts. Im Verlauf seines knapp 90 jährigen Lebens hat er die musikalischen Entwicklungen in Mitteldeutschland so stark geprägt und begleitet wie kein Zweiter.

Geboren wurde er am 8. Oktober 1685 in Köstritz, 1590 zog die Familie nach Weißenfels. Im Alter von 13 Jahren wurde Schütz vom kunstsinnigen Landgrafen Moritz entdeckt, der ihn als Kapellknaben nach Kassel engagierte. Im Anschluss an die von Moritz finanzierte Musik- und Schulausbildung konnte Schütz in Marburg studieren; ab 1609 bezahlte der Landgraf dem jungen Musiker zudem eine dreijährige Studienreise nach Venedig. Hier lernte Schütz die modernen Kompositionstechniken, insbesondere die mehrchörige Kirchenmusik kennen. Als sein Günstling 1613 endlich nach Kassel zurückkehrte, konnte Landgraf Moritz von dessen Lernerfolgen aber kaum profitieren. Schon 1614 wurde der sächsische Kurfürst Johann Georg I. auf den talentierten und gut ausgebildeten Musiker aufmerksam; nach zähen Verhandlungen mit Moritz konnte er Schütz 1617 als Hofkapellmeister nach Dresden verpflichten. 

Schütz bekleidete das Amt über 50 Jahre. Seine Dienstzeit wurde 1628 von einer zweiten Italienreise unterbrochen, die ihn erneut – diesmal für über ein Jahr – nach Venedig führte. Im Zuge der Wirren des Dreißigjährigen Krieges, der 1631 auch Sachsen erreichte, kam die Dresdner Musikpflege zusehends zum Erliegen. Als die sächsische Prinzessin Magdalena Sibylle den dänischen Kronprinzen heiratete, reiste Schütz von 1633 bis 1635 nach Kopenhagen, um die musikalische Leitung der Hochzeitsfeierlichkeiten zu übernehmen und den Kriegswirren in seiner Heimat für einige Zeit zu entfliehen. Zurück in Dresden versuchte er sich mit seinen Kompositionen auf die veränderten Aufführungsbedingungen der Kriegsjahre einzustellen. Seine Kleinen Geistlichen Concerte, die 1636 erschienen, trugen diesem Umstand durch eine verringerte Chor- und Instrumentalbesetzung Rechnung.

Mit dem Tod Johann Georgs I. konnte Schütz im Alter von inzwischen über 70 Jahren in den langersehnten Ruhestand treten, wozu er seinen ständigen Wohnsitz 1657 wieder in die Stadt seiner Kindheit – nach Weißenfels – verlegte. Begraben wurde er jedoch in Dresden, wo er sich zum Zeitpunkt seines Todes am 6. November 1672 aufgehalten hatte. 

Heinrich Schütz (Portraitgemälde von Christoph Spetner, um 1660. Kunstbesitz der Universität Leipzig)zoom
 

Die folgenden beiden Klangbeispiele dokumentieren Schütz' musikalische Entwicklung während des Dreißigjährigen Krieges. Das vierchörige Konzert Danket dem Herren, denn er ist freundlich (SWV 45) veröffentlichte Schütz in seinen 1619 gedruckten Psalmen Davids; entstanden ist das Stück allerdings bereits zwei Jahre zuvor für die Hundertjahrfeier der Reformation. 

H. Schütz: "Danket dem Herren, denn er ist freundlich"

Es musizieren das Collegium Vocale Leipzig und die Chursächsische Capelle Leipzig unter der Leitung von Michael Schönheit.

Das achtstimmige Konzert Nun danket alle Gott komponierte Schütz über 30 Jahre später für das sächsische Dankfest, das anlässlich des Abzugs der schwedischen Truppen am 22. Juli 1650 gefeiert wurde.

H. Schütz: "Nun danket alle Gott"

Hören Sie einen Ausschnitt aus einer Aufnahme von Cantus Cölln und Concerto Palatino unter der Leitung von Konrad Junghänel.

 

Samuel Scheidt (Hofkapellmeister in Halle)

Samuel Scheidt war einer der bedeutendsten deutschen Orgelmeister des 17. Jahrhunderts. Am 4. November 1587 wurde er in der Ulrichskirche in Halle (Saale) getauft. Er war noch keine 16 Jahre alt, als er hier den Organistendienst an der Moritzkirche übernahm. Später hielt er sich zu Studienzwecken bei Jan Pieterszoon Sweelinck in Amsterdam auf, wo er neben niederländischen Kompositionen auch englische Musiker und ihre Werke kennenlernte. Nach seiner Rückkehr wurde Scheidt Hoforganist und 1619 schließlich Hofkapellmeister an der hallischen Residenz des Administrators des Erzbistums Magdeburg, Markgraf Christian Wilhelm von Brandenburg. Gleichzeitig leitete er die Hofkantorei. Nachdem Christian Wilhelm 1625 Halle verlassen hatte, löste sich die Hofkapelle auf. Scheidt fand zwischen 1628 und 1630 eine Anstellung als städtischer Musikdirektor, spielte in dieser Zeit die Orgeln in der Marktkirche und leitete in den Gottesdiensten den Stadtsingechor.

 
Samuel Scheidt, Tabulatura Nova, Hamburg 1624, Titelseite (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)zoom
Samuel Scheidt (Anonymer Kupferstich aus dem ersten Band der Tabulatura Nova,
Hamburg 1624)
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Scheidt komponierte über 500 Werke, von denen die meisten schon zu seinen Lebzeiten im Druck erschienen. Mit den Cantiones sacrae eröffnete er 1620 eine Reihe geistlicher Vokalmusik. 1622 folgten die Concertus sacri, ab 1631 Geistliche Konzerte in vier Teilen sowie 1635 die Lieblichen Kraft-Blümlein. Die meisten seiner Instrumentalwerke wurden schon zwischen 1621 und 1627 als Ludi musici in vier Teilen gedruckt. Sein wahrscheinlich bedeutendstes Werk für Tasteninstrumente, die Tabulatura Nova, erschien 1624 in Hamburg in drei Teilen und ist ein Standardwerk der Orgelliteratur. Als letztes gedrucktes Werk kam 1650 sein Tabulatur Buch Hundert geistlicher Lieder und Psalmen Herrn Doctoris Martini Lutheri, das so genannte Görlitzer Tabulaturbuch, im Druck heraus. Scheidt starb am 24. März 1654 in Halle.

 

Johann Philipp Krieger (Hofkapellmeister in Weißenfels)

Johann Philipp Krieger war Kapellmeister am Sachsen-Weißenfelser Hof und prägte die Musikkultur dort ganz entscheidend. Seine Bedeutung als Komponist liegt vor allem in der Einführung italienischer und französischer Form- und Satztechniken in die deutsche Musik.

Krieger stammte aus Nürnberg. Später war er Organist in Kopenhagen und Kapellmeister in Bayreuth. Von einer ausgedehnten Studienreise durch Italien erhoffte er sich eine Verbesserung seiner beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Zurück in Deutschland, ging er im Dezember 1677 als Kammermusiker und -organist an den Hof Herzog Augusts von Sachsen-Weißenfels nach Halle. Schon bald nach seiner Ankunft wurde er zum Vizekapellmeister ernannt und stieg wenig später zum Kapellmeister auf. Nach dem Tod Herzog Augusts übersiedelte Krieger mit dem Hof nach Weißenfels, wo die in Halle begonnene Operntradition fortgeführt und ausgebaut wurde. Krieger starb am 6. Februar 1725 in Weißenfels, wo ihm sein Sohn Johann Gotthilf ins Amt des Hofkapellmeisters folgte.

Gerade dank Kriegers Hofopern genoss Weißenfels einen hervorragenden Ruf in der musikalischen Welt und zog in den folgenden Jahrzehnten namhafte Musiker und Komponisten an. Neben seinen Opern komponierte Krieger über 2500 Kirchenkantaten darunter ab 1702 die Erstvertonung von Erdmann Neumeisters Geistlichen Cantaten statt einer Kirchen-Music.

 
Stadtansicht von Weißenfels (Radierung von Peter Schenk. Stiftung Händel-Haus Halle)zoom
 

Johann David Heinichen (Hofkapellmeister in Dresden)

Johann David Heinichen wurde 1683 im Dorf Krössuln bei Teuchern geboren, wo er sehr früh schon musikalisch aktiv wurde. Als er 1696 an die Thomasschule nach Leipzig kam, konnte er jedenfalls von sich behaupten „allbereit an kleinen Orthen starcke Kirchen-Musiquen componiret und selbst dirigiret“ zu haben.

Während seiner anschließenden Leipziger Studienzeit spielte er in Telemanns Collegium musicum; später teilte er sich mit Johann Friedrich Fasch die Leitung eines 1708 neugründeten Studentenorchesters. In den Jahren 1709 und 1710 komponierte er mehrere Opern für die Bühnen in Leipzig und Naumburg, bevor er noch im selben Jahr zu einer Studienreise nach Italien aufbrach. Hier hielt er sich bis zum Jahreswechsel 1716/17 auf.

Zum Karneval 1716 hatte er in Venedig den sächsischen Prinzen und späteren Kurfürsten Friedrich August II. kennengelernt, der den jungen Musiker im Auftrag seines Vaters, Augusts des Starken, als Kapellmeister an den Dresdner Hof verpflichtete. Hier widmete er sich seit 1721 – und bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1729 – hauptsächlich der katholischen Hofkirchenmusik.

Neben seinen hinterlassenen Kompositionen ist vor allem Heinichen musiktheoretisches Hauptwerk – eine fast 1000 Seiten starke Abhandlung über den General-Bass in der Composition, die 1728 kurz vor seinem Tod noch erschienen ist – von musikhistorischer Bedeutung.

 
Johann David Heinichen, Der General-Bass in der Composition, Dresden 1728zoom
 
 

Die „Musicalisch-Bachische Familie“

In Johann Sebastian Bach hat nicht nur die mitteldeutsche Barockmusik, sondern auch die gleichnamige Musikerfamilie ihren bekanntesten Vertreter gefunden. Bereits seit dem 16. Jahrhundert sind Bachs Vorfahren im Thüringischen als Musiker nachweisbar. Bis hinein ins 19. Jahrhundert sind über 100 Mitglieder der weitverzweigten Familie nachweisbar, die als Organisten, Kantoren, Stadtpfeifer und Hofmusiker in den Dörfern, Städten und Residenzen um Weimar, Eisenach, Gotha und Meiningen Anstellungen gefunden hatten. Stammvater der Familie ist der Müller Veit Bach, der im 16. Jahrhundert von Ungarn aus nach Wechmar gekommen war und der in seiner Freizeit die Laute gespielt hat.

Der Meininger Hofkapellmeister Johann Ludwig Bach

Johann Ludwig Bach (1677–1731) war zunächst Orchestermusiker in Meiningen, bevor er dort ab 1711 die Hofkapelle leitete. Johann Sebastian führte in Leipzig mehrere Kantatenkompositionen seines Vetters auf.

Stammbaum der Bach-Familie (Kolorierte Zeichnung. Original in Privatbesitz aus der Schweinfurter Linie der Bach-Familie. Faksimile-Druck im Originalformat als Mitgliedsgabe der Neuen Bachgesellschaft im Jahr 1990)zoom
 

Johann Sebastian Bach (Schlossorganist in Weimar und Hofkapellmeister in Köthen)

Johann Sebastian Bach wurde 1685 in Eisenach als Sohn des Stadtpfeifers Johann Ambrosius Bach in eine weitverzweigte thüringer Musikerfamilie geboren. Nachdem er im Alter von zehn Jahren bereits beide Eltern verloren hatte, wuchs er bei seinem älteren Bruders und Organisten in Ohrdruf, Johann Christoph, auf. Von 1695 bis 1700 besuchte er hier die Schule und wurde von seinem Bruder im Klavier- und Orgelspiel unterrichtet. Seine Ausbildung setzte er von 1700 bis 1702 an der Michaelisschule im fernen Lüneburg fort, wo er ein Privatschüler des Stadtorganisten Georg Böhm – ebenfalls ein gebürtiger Thüringer aus Hohenkirchen bei Ohrdruf – wurde.

Nach seiner Lüneburger Schulzeit kehrte Bach in seine thüringische Heimat zurück, wo er schnell Anstellungen als Kammermusiker (Weimar) und Organist (Arnstadt und Mühlhausen) fand. 1708 wurde er zunächst Hoforganist, ab 1714 Konzertmeister am Weimarer Hof. 1717 warb ihn hier der junge musikliebende Fürst Leopold von Anhalt-Köthen ab, der ihm das Kapellmeisteramt in seiner erst wenige Jahre zuvor gegründeten Hofkapelle anbot. Den Unsicherheiten, die eine Anstellung als Hofmusiker stets mit sich brachte, entzog sich Bach durch den Wechsel ins Leipziger Thomaskantorat im Jahr 1723. Die damals stets auf Lebenszeit besetzte Stelle behielt er bis zu seinem Tod am 28. Juli 1750.

 

Johann Friedrich Fasch (Hofkapellmeister in Zerbst)

Johann Friedrich Fasch wurde 1688 in Buttelstedt bei Weimar geboren. Während seiner Kindheit zog die Familie zunächst nach Henneberg, später nach Suhl, wo Fasch bereits im Alter von neun Jahren bei den Kirchenmusiken mitsang. Nach dem Tod seines Vater kam der Junge zu seinem Onkel nach Teuchern, wo er sich gleichfalls regelmäßig im Gottesdienst hören ließ und bald von einem Weißenfelser Hofmusiker ,entdeckt‘ wurde, was ihm bereits im Alter von 12 Jahren eine Diskantisten-Stelle in der Hofkapelle von Herzog Johann Georg zu Sachsen-Weißenfels einbrachte.

Um seine Musikerkarriere zu forcieren, wechselte er ein Jahr später, im Dezember 1701, auf die Leipziger Thomasschule. Nach seiner Schulzeit blieb er in der Messestadt, begann ein Studium an der hiesigen Universität und gründete 1708 ein studentisches Collegium musicum, das er gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitschüler Johann David Heinichen leitete. Nach seinem Studienabschluss im Jahr 1713 begab er sich auf

eine Studienreise, die ihn u.a. über Zeitz, Gera, Gotha, Eisenach und Mühlhausen schließlich nach Darmstadt führte, wo sein ehemaliger Mitschüler Christoph Graupner inzwischen das  Hofkapellmeisteramt innehatte. Nach einem 14 wöchigen Aufenthalt trat er die Rückreise über Süddeutschland an, erhielt ein kurzfristiges Engagement in Bayreuth, dem Anstellungen als Sekretär, Stadtschreiber und Organist in Gera (1717) und Greiz (1719) und eine Anstellung in der Privatkapelle von Graf Morizin in Prag (1721) folgten. 1722 bewarb er sich um die Nachfolge von Johann Kuhnau im Leipziger Thomaskantorat, was erfolglos blieb. Stattdessen wurde er im gleichen Jahr Hofkapellmeister in Anhalt-Zerbst. Diese Stelle behielt er bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1758. Reisen führten ihn in dieser Zeit erneut nach Prag, aber auch nach Dresden, wo seine ehemaligen Leipziger Schul- und Studienfreunde, Johann David Heinichen und Johann Georg Pisendel, inzwischen in der Hofkapelle angestellt waren.

 

Johann Adolf Hasse (Hofkapellmeister in Dresden)

Johann Adolf Hasse war der erfolgreichste Opernkomponist des mittleren 18. Jahrhunderts – und das nicht nur in Mitteldeutschland. Europaweit erfreuten sich seine Werke außerordentlicher Beliebtheit. Hasse wurde 1699 in Bergedorf bei Hamburg geboren und kam bereits als jugendlicher Tenor an die Hamburger Oper. Ab 1719 war er als Hofmusiker in Braunschweig angestellt, begab sich aber bald auf eine Studienreise nach Italien, wo er die 1720er Jahre verbrachte und schließlich in Neapel und Venedig als Opernkomponist fußfassen konnte. Hier lernte er auch seine Frau – die berühmte Sängerin Faustina Bordoni – kennen.

Als nach dem Tod von Johann David Heinichen die Dresdner Hofkapellmeisterstelle neuzubesetzen war, fiel die Wahl recht schnell auf den erfolgreichen Hasse. Dass man mit ihm zugleich seine talentierte Frau als Hofsängerin gewinnen konnte, begünstigte die Entscheidung freilich. Im Zuge eines ersten Gastspiels besuchten Hasse und Faustina Dresden im Sommer 1731, wo im September seine Oper Cleofide eine begeisterte Aufführung erlebte. Die Festanstellung folgte allerdings – auch bedingt durch den Herrscherwechsel nach dem Tod Augusts des Starken – erst Ende 1733. In den kommenden 30 Jahren komponierte Hasse nahezu jährlich neue Opern für den sächsischen Hof, reiste aber ebenso regelmäßig – insbesondere wenn der Kurfürst sich in seiner Funktion als König von Polen in Warschau aufhielt – nach Italien, wo in den 1730/40er Jahren auch weiterhin Neukompositionen aus seiner Feder erklangen.

Mit dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges im Jahr 1756 zog sich der Kurfürst dauerhaft nach Polen zurück und Hasse erhielt bald die Erlaubnis Dresden in Richtung Italien verlassen zu dürfen. 

 
Johann Adolf Hasse (Kupferstich von Johann Friedrich Kauke nach einer Vorlage von Pietro Antonio Rotari, 1763. Portraitsammlung der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Persistenter Link zur Vorlage: http://www.sub.uni-hamburg.de/fileadmin/redaktion/Sammlungen_und_HAC/Hasse/hasse_sw.jpg)zoom
 

Das Ehepaar Hasse kehrte erst nach Friedensschluss im Jahr 1763 nach Dresden zurück. Mit dem Tod von Kurfürst Friedrich August II. begann dessen Sohn mit der Sanierung der sächsischen Staatsfinanzen, die durch Verschwendung und Krieg völlig erschöpft waren. Die Auflösung der Hofoper – und damit die Entlassung der Hasses – war eine der ersten Amtshandlungen des neuen Herrschers. Seinen Lebensabend verbrachte der Divino Sassone – der göttliche Sachse, wie Hasse in Italien genannt wurde – mit gelegentlichen Kompositionsaufträgen zunächst in Wien, später in Venedig, wo er 1783 starb.

 

Johann Ludwig Krebs (Schlossorganist in Zeitz und Altenburg)

Johann Ludwig Krebs ist einer der bekanntesten Schüler Johann Sebastian Bachs und der bedeutendste Vertreter einer Musikerfamilie aus dem thüringischen Buttelstedt . Hier wurde Krebs 1713 als Sohn des Organisten Johann Tobias Krebs (1690–1762) geboren. Im nahegelegenen Weimar hatte Johann Tobias Klavier- und Kompositionsunterricht bei den herausragenden Organisten Bach und Walther genossen. Als Bach schließlich Thomaskantor geworden war, schickte er seine drei Söhne, Johann Ludwig, Johann Tobias und Johann Carl auf das Alumnat nach Leipzig.

Johann Ludwig erwies sich als der talentierteste der drei Brüder; er wurde bald Bachs Privatschüler, war einer seiner wichtigsten Diskantisten und Mitglied in Bachs Collegium musicum. Nach seinem Schulabschluss ging er 1737 nach Zwickau , wo er das Organistenamt an der Marienkirche übernahm. 1744 wechselte er als Schlossorganist nach Zeitz ; 1756 wurde er nach Altenburg berufen, wo er bis zu seinem Tod am 1. Januar 1780 ebenfalls an der Schlosskirchenorgel musizierte.

 
Sopranstimme von Johann Sebastian Bachs Kantate "Geschwinde, ihr wirbelnden Winde" BWV 201, geschrieben von Johann Ludwig Krebs (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Mus. ms. Bach St. 33a)zoom

Als Mitglied in Bachs Collegium musicum war Krebs auch an der Herstellung des Aufführungsmaterials beteiligt – hier seine Schriftzüge in der um 1730 entstandenen Bach-Kantate Geschwinde, ihr wirbelnden Winde.

 
 
Hintergrundbild Musiker

Für die meisten Komponisten gehörte die theoretische Reflexion ihres musikalischen Schaffens ganz selbstverständlich zur alltäglichen Arbeit. So verwundert es kaum, dass die Traktate, Wörterbücher und Lexika, die das theoretische Wissen der barocken Musikwelt überliefern, in der Regel von Musikern verfasst wurden, die fest in der Praxis ihrer Zeit verwurzelt waren. Städtische und höfische Musiker waren hier gleichermaßen bedeutsam.

Michael Praetorius, Syntagma musicum III, Wolfenbüttel 1619zoom
Eine Beschreibung der Stimmumfänge der kirchentonalen Modi für die "Einfältigen" (Michael Praetorius, Syntagma musicum III, Wolfenbüttel 1619)zoom
 
 

Martin Agricola

Martin Agricola wurde um 1525 in Magdeburg als erster lutherischer Kantor an einer städtischen Lateinschule angestellt. 1486 war er in Schwiebus im heutigen Polen als Sohn einer wohlhabenden Bauernfamilie geboren worden. 1519 ließ er sich in Magdeburg nieder. Wegen seines weitgehend autodidaktisch erworbenen musikalischen Fachwissens war er unter seinen Zeitgenossen hochgeschätzt. Bis zu seinem Tod im Jahr 1556 blieb er in Magdeburg, wo er neben dem Schulunterricht auch privaten Instrumentalunterricht gab und zahlreiche musiktheoretische Werke veröffentlichte. Von besonderer Bedeutung für die frühe protestantische Musikerziehung ist seine 1528 erschiene Kurtze deudsche Musica , das erste deutschsprachige Schulbuch für den Musikunterricht. Seine nur ein Jahr später publizierte Musica instrumentalis deudsch bietet eine Systematisierung der zeitgenössischen Musikinstrumente und ist das erste Werk dieser Art in deutscher Sprache.

Martin Agricola, Kurtze deudsche Musica, Wittenberg 1528zoom
 

Seth Calvisius

Seth Calvisius war nicht nur Komponist und Musiktheoretiker, sondern einer der bedeutendsten mitteldeutschen Gelehrten seiner Zeit. Er wurde 1556 im thüringischen Gorsleben geboren, besuchte die Schulen in Frankenhausen und Magdeburg. Nach seinen Studien an den Universitäten in Helmstedt und Leipzig wurde er 1582 zunächst Kantor in Schulpforta. 1594 berief ihn der Leipziger Rat zum Thomaskantor. Das Amt behielt er bis zu seinem Tod am 24. November 1615, obwohl er in dieser Zeit – insbesondere wegen seiner historischen und chronologischen Studien – auch Berufungen an die Universitäten von Frankfurt/Oder und Wittenberg erhielt.

Seth Calvisius (Kupferstich von Melchior Haffner, um 1610. Bach-Archiv Leipzig)zoom
 

Michael Praetorius

Michael Praetorius war der bedeutendste deutschsprachige Musiktheoretiker an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Er wurde 1571 in Creuzburg bei Eisenach geboren. Bereits während seines Studiums in Frankfurt an der Oder übernahm Praetorius das Organistenamt der dortigen Universitäts- und Pfarrkirche St. Marien. Anschließend ging er nach Wolfenbüttel, wo er eine Anstellung als Hofmusiker – zunächst als Organist, seit 1604 als Kapellmeister – fand. Nachdem Tod des Herzogs im Jahr 1613 blieb Praetorius zwar im Amt, doch hatte man in Wolfenbüttel fortan keine sinnvolle Verwendung mehr für den talentierten Musiker und Komponisten.

In den folgenden Jahren hielt er sich immer wieder am Dresdner Hof auf, den er regelmäßig mit eigenen Kompositionen beehrte, was ihm bald einen Kapellmeistertitel einbrachte. Die Wirkungsorte seiner letzten Lebensjahre zeichnen das Bild eines gefragten und umtriebigen Musikers, dessen Wirken in Mitteldeutschland sein Zentrum gefunden hatte. Seit 1616 hielt er sich jeweils nur kurzfristig u.a. in Halle, Sondershausen, Kassel, Magdeburg, Leipzig und Nürnberg auf. Er starb 1621 in Wolfenbüttel.

Syntagma musicum

Praetorius' Vermächtnis besteht – neben seinen heute kaum noch bekannten Kompositionen – vor allem in seinem Syntagma musicum, einem Musiklexikon, das zwischen 1615 und 1619 in drei Bänden erscheinen war und heute eine der wichtigsten Quellen für die Aufführungspraxis der Musik des frühen 17. Jahrhunderts ist. Das Werk enthält lexikalische Beschreibungen der wichtigsten zeitgenössischen Musikbegriffe und ausführliche Darstellungen des damaligen Instrumentariums.

Michael Praetorius, Theatrum Instrumentorum, Wolfenbüttel 1620zoom

Im Anhang zum zweiten Teil des Syntagma musicum gibt Praetorius einen systematischen Überblick über das Instru-mentarium seiner Zeit.

 
Michael Praetorius (Holzschnitt nach dem Gesamttitel der Musae Sioniae, Regensburg 1605)zoom
 

Johann David Heinichen

Johann David Heinichen wurde 1683 im Dorf Krössuln bei Teuchern geboren, wo er sehr früh schon musikalisch aktiv wurde. Als er 1696 an die Thomasschule nach Leipzig kam, konnte er jedenfalls von sich behaupten „allbereit an kleinen Orthen starcke Kirchen-Musiquen componiret und selbst dirigiret“ zu haben.

Während seiner anschließenden Leipziger Studienzeit spielte er in Telemanns Collegium musicum; später teilte er sich mit Johann Friedrich Fasch die Leitung eines 1708 neugründeten Studentenorchesters. In den Jahren 1709 und 1710 komponierte er mehrere Opern für die Bühnen in Leipzig und Naumburg, bevor er noch im selben Jahr zu einer Studienreise nach Italien aufbrach. Hier hielt er sich bis zum Jahreswechsel 1716/17 auf.

Zum Karneval 1716 hatte er in Venedig den sächsischen Prinzen und späteren Kurfürsten Friedrich August II. kennengelernt, der den jungen Musiker im Auftrag seines Vaters, Augusts des Starken, als Kapellmeister an den Dresdner Hof verpflichtete. Hier widmete er sich seit 1721 – und bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1729 – hauptsächlich der katholischen Hofkirchenmusik.

Neben seinen hinterlassenen Kompositionen ist vor allem Heinichen musiktheoretisches Hauptwerk – eine fast 1000 Seiten starke Abhandlung über den General-Bass in der Composition, die 1728 kurz vor seinem Tod noch erschienen ist – von musikhistorischer Bedeutung.

 
Johann David Heinichen, Der General-Bass in der Composition, Dresden 1728zoom
 
 

Johann Gottfried Walther

Walther wurde 1684 in Erfurt geboren, wo er die Schule besuchte, anschließend studierte und schließlich auch seine erste Anstellung fand; in der Erfurter Thomaskirche wurde er 1702 Organist. In den folgenden Jahren unternahm er mehrere Bildungsreisen, die ihn zwar nur selten über Mitteldeutschland hinausführten, ihn aber die Bekanntschaft mit vielen seiner Kollegen einbrachten.

1707 bewarb Walther sich erfolgreich um das Organistenamt an der Stadtkirche in Weimar. Hier machte er bald die Bekanntschaft mit Johann Sebastian Bach, die zu einer lebenslange Freundschaft der beiden führte. Nach langer Krankheit und mit schwerem Augenleiden starb Walther 1748 in Weimar.

Das Musicalische Lexicon

Walther ist einer der bedeutendsten Musikschriftsteller der Bach-Zeit. Sein 1732 veröffentlichtes Musicalisches Lexicon ist das erste Werk seiner Art in deutscher Sprache. Es vereint biographische Informationen zu zeitgenössischen und bereits verstorbenen Musikern mit der Erläuterung musikalischer Fachbegriffe. Damit ist es eine der wichtigsten Quellen zur Musikkultur des frühen 18. Jahrhunderts.

Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732zoom
Johann Gottfried Walther, Musicalisches Lexicon, Leipzig 1732, Titelkupferzoom
 
 
Hintergrundbild Musiker